09.05.2023
Fischadler brütet erstmals seit 1907 wieder im Südwesten
© Dr. Daniel Schmidt-Rothmund
Pressemitteilung des NABU Baden-Württemberg | 2.5.2023
NABU: Einsatz für Wiederansiedlung wird belohnt / Drei Eier im Horst
Mössingen / Landkreis Rastatt – Beim Anblick der Bilder, die die Wildkamera überträgt, stockt Daniel Schmidt-Rothmund der Atem: Drei Vogeleier mit rötlich-braunen Flecken liegen im gepolsterten Horst der Fischadler. Es ist die erste nachweisliche Brut der imposanten Greifvögel seit mehr als 110 Jahren in Baden-Württemberg – eine Sensation, die dem 59-jährigen Ornithologen Tränen der Freude in die Augen treibt. Seit 33 Jahren arbeitet der Leiter des NABU-Vogelschutzzentrums Mössingen auf diesen Tag hin. Jetzt endlich stellt sich der ersehnte Erfolg ein, auf einer künstlichen Nisthilfe, die er vor zwei Jahren in der badischen Oberrheinebene montiert hatte. „Fischadler lieben Wälder mit einzelnen, alles überragenden Baumriesen, auf denen sie wie der König in ihrem Nest sitzen und den gesamten Wald überblicken können. Dazu geeignete Bäume sind ebenso selten wie Fischadler – zusammen sind sie ein Dreamteam“, sagt Schmidt-Rothmund.
38 Tage Daumen drücken für erfolgreiche Brut
Das erste Ei lag am 15. April im Nest der Fischadlereltern. Das Männchen ist neun Jahre alt und aus Sachsen-Anhalt in den Südwesten gezogen. Auch das Weibchen ist beringt, ihre Herkunft bisher aber noch unbekannt. Für die beiden ist es bereits das dritte Brutjahr. „Jetzt müssen Vogelfans im Land kräftig die Daumen drücken, damit nach 38 Tagen Ende Mai die drei Küken schlüpfen“, so Schmidt-Rothmund. Und auch dann heißt es für das Fischadlerpaar: wachsam bleiben. „Am ersten Brutplatz des Paares im Elsass wurden gleich beide Bruten in den Vorjahren komplett von einem Habicht oder Uhu geräubert. Das gesamte Fischadler-Netzwerk hofft und bangt nun mit den beiden auf ein Happy End im Landkreis Rastatt.“ Wenn alles gut geht, beringt der Ornithologe die drei Jungadler Ende Juni, kurz bevor sie das Nest verlassen.
Gemeinsames Engagement zahlt sich aus
Für Schmidt-Rothmund ist die Wiederansiedlung der Fischadler im Südwesten ein Herzensthema und Lebenswerk, dass viel Zeit, Energie, Geduld und nicht zuletzt Geld erfordert. Dank einem großen Netz aus Ehrenamtlichen sowie vogelbegeisterten Spenderinnen und Spendern hat er im Land mehr als 30 Plattformen auf hohen Bäumen installiert, Nistmaterial hochgeschafft und die Standorte regelmäßig besucht. „Ohne die Bereitschaft von Forst BW, Gemeinden und Privatwaldbesitzenden, ihre Flächen zur Verfügung zu stellen, wäre das alles nicht möglich“, betont der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle. Dass es über 30 Jahre gedauert hat, bis sich jetzt das erste Fischadlerpaar niedergelassen hat, hat mehrere Gründe. „Fischadler sind heimattreu und nisten gerne in der Nähe anderer Paare ihrer Art. Weil wir Menschen die Fischjäger als unerwünschte Konkurrenten weitflächig ausgerottet haben, ist es schwer, sie ins Fischadler- Niemandsland zurück zu locken“, erläutert Schmidt-Rothmund. Auch in Bayern war der Vogel einst ausgerottet und brütet dort wieder seit 1992. „In diesem Fall sind uns die Bayern eine Schnabelspitze voraus“, schmunzelt der Ornithologe.
Hintergrund:
- Der Fischadler ist ein reiner Pescetarier. Oberflächennah lebende Fische wie die Brachse erbeutet er aus der Luft. Als vermeintlicher Nahrungskonkurrent des Menschen wurde der Greifvogel erbarmungslos abgeschossen, seine Gelege wurden geplündert und Horstbäume gefällt, bis zur Ausrottung 1907 im Südwesten. Noch im 19. Jahrhundert war der Fischadler in Baden-Württemberg entlang von Donau, Rhein, Neckar und an Kocher und Jagst beheimatet. Bekannt ist das vor allem, weil aus dem 19. Jahrhundert Jagdstatistiken mit langen Abschusslisten vorliegen. Auch Eiersammlungen in Museen belegen das.
- Seit dreißig Jahren installiert der NABU in Baden-Württemberg Nisthilfen für den imposanten Greifvogel in dessen alter Heimat an Rhein und Donau. Kunsthorste gibt es in mehreren Landesteilen. Im Zuge eines Interreg-Projekts gemeinsam mit der französischen Partnerorganisation LPO (Liga für Vogelschutz) am Oberrhein kamen zehn Nisthilfen beidseits des Rheins zwischen Basel und Karlsruhe hinzu.
- Fischadler sind keine großen Baumeister – sie nutzen gerne immer wieder dieselben Nester, die sie mit Ästen ausbauen und mit Gras auspolstern. Ausgewachsene Fischadler erreichen eine Größe von rund 55 bis 65 Zentimetern und ein Flügelspannweite zwischen 1,60 und 1,80 Metern Länge. Ihr Nest ist dementsprechend groß und misst im Durchmesser 1,20 Meter. Für sein Nest bevorzugt der Fischadler alte Eichen oder Kiefern mit mindestens 25 Metern Höhe und weitem Ausblick.
- Baden-Württemberg war bislang nur eine Zugschneise für die Fischadler auf ihrem Weg zwischen nördlichen Brutgebieten und Winterquartier. Im Spätsommer verlassen sie ihre Nester und fliegen rund 5.000 Kilometer bis nach Westafrika (Senegal, Gambia).
Weitere Infos unter: www.NABU-BW.de/Patenschaften